Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit kann zur fristlosen Kündigung führen

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts (LAG) in Frankfurt (Urteil vom 1. April 2009 – 6 Sa 1593/08) kann die Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit zur außerordentlichen Kündigung führen, und zwar auch trotz langjähriger Betriebszugehörigkeit und mehrerer Unterhaltsverpflichtungen.

Der Fall betraf einen 52-jährigen Stahlschweißer mit drei Kindern im Alter von 11, 19 und 25 Jahren. Nachdem ihn zunächst im Rahmen verstärkten Personalabbaus am 29. November 2007 eine ordentliche, betriebsbedingte Kündigung zum 31. Mai 2008 traf, nahmen seine krankheitsbedingten Fehlzeiten drastisch zu. Die Unternehmensleitung glaubte ihm die Fehlzeiten nicht und beauftragte einen Detektiven zur Überprüfung. Dieser kontaktierte ihn im März 2008 telefonisch unter dem Vorwand, sich in der Telefonnummer geirrt zu haben; er habe sich mit einer anderen Person zur Arbeit verabredet. Daraufhin bot der Arbeitnehmer und spätere Kläger dem Detektiven sofort seine Dienste zum Arbeiten für Renovierungen und zum Innenausbau an. Er könne auch gleich anzufangen. Auf die Frage nach den Hintergründen hierfür erklärte er dem Detektiven, er sei zwar derzeit krank geschrieben, stehe gleichwohl aber sofort zur Verfügung.Für weitere Kontakte gab er dem Detektiven seine Handynummer.

Gegen die daraufhin nach Anhörung des Betriebsrats am 3. April 2008 ausgesprochene fristlose Kündigung erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht Kassel – zunächst erfolgreich: Das Arbeitsgericht war der Auffassung, eine fristlose Kündigung sei unberechtigt, weil der Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung keine Entgeltfortzahlung mehr erhalten habe. Damit könne nur noch das Zurückhalten der Arbeitsleistung kündigungsrelevant sein. Dies alleine rechtfertige jedoch nicht die fristlose Kündigung.

Diese Meinung teilte das LAG nicht. Das Vortäuschen einer Arbeitsunfähigkeit stelle vielmehr ein unredliches Verhalten dar, das von laufender Lohnfortzahlung nicht abhänge. Das Vertrauen in die Redlichkeit des Arbeitnehmers werde zerstört. Auch die Abwägung der Interessen falle gegen den Kläger aus. Der Arbeitgeber habe berücksichtigen dürfen, dass sich das Verhalten des Klägers auf die übrigen Arbeitnehmer auswirke (Gefahr der Nachahmung). Alter und Betriebszugehörigkeit des Klägers könnten dies nicht aufwiegen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde nicht zugelassen.

 

Anmerkungen von HELFER Rechtsanwälte:

Das Urteil ist – verglichen mit anderen Urteilen zu außerordentlichen Kündigungen aus der jüngeren Vergangenheit – recht arbeitgeberfreundlich.  Besonders bemerkenswert: Dem Arbeitnehmer hätte aufgrund der zuvor ausgesprochenen vorausgegangenen betriebsbedingten Kündigung eigentlich eine Sozialplanabfindung zugestanden. Diese hat sich das Unternehmen mit der wirksamen fristlosen Kündigung quasi „erspart“, da das Arbeitsverhältnis nicht durch die (ordentliche) betriebsbedingte Kündigung am 31. Mai 2008, sondern schon durch die fristlose Kündigung zum Ablauf des 3. April 2008 endete. Der Abfindungsanspruch aus einem Sozialplan entsteht regelmäßig nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis auch aus betriebsbedingten Gründen endet. (AH)

 

 

 

Comments are closed.